Portrait of Franz Kafka, 1906 |
The Preoccupations of a Family Man
Some say the word Odradek is of Slavonic origin, and try to explain on that basis the origin of that word. Others again believe it is of German origin, only influenced by Slavonic. The uncertainty of both interpretations allows one to safely assume that neither is accurate, especially as neither of them provides the actual meaning of the word.
Of course, no one would deal with such studies if there were not actually a being named Odradek. At first glance it looks like a flat star-shaped spool of thread, and indeed it does seem covered with thread; to be sure, only ragged, old, knotted and entangled pieces of the most varied sorts and colors. But it is not only a spool, for a small wooden crossbar sticks out of the middle of the star, and another tiny rod is joined to that at a right angle. With the help of this latter rod on one side, and of one of the points of the star on the other side, the whole thing can stand upright on two legs. One is tempted to believe that the creature had once some convenient form and now it is just a broken remnant. However, this seems not to be the case; at least there is no sign of it; nowhere can one see additions or fractures that would indicate anything of the sort. Although the whole thing seems a nonsense, however, it is concluded in his own way. Nothing more precise can be said either, because Odradek is extraordinarily nimble and difficult to catch. He lurks in the attic, in the staircase, in the corridors, in the entry. Sometimes one does not see him for months; he has presumably moved into other houses; but then he infallibly comes faithfully back to our house. Sometimes, when you step out the door, he's right there and leans against the banisters, and you feel inclined to speak to him. Of course, one would not pose difficult questions, but treats him - given his his size - as a child. “What's your name?” one asks him. “Odradek” says he. “And where do you live?” “No fixed abode,” he says and laughs; but it's just a laugh that can be produced by someone with no lungs. It sounds a bit like the rustle of fallen leaves. So the conversation usually ends like that. However, even such simple answers are not always obtained; often he remains a long time in silence, as the wood, which he seems to be made of. In vain wonder I what will happen to him. Can he actually die? Everything that dies, has some kind of goal, has some sort of activity by which he has worn himself out; this is not case with Odradek. Perhaps, shall he someday still be rolling dragging his thread down the stairs at the feet of my children, and my grandchildren? Obviously, he hurts nobody; but the idea that he should even survive me, gives me almost a pain.
From "The Tales of Franz Kafka: English Translation With Original Text In German," available as e-book on Amazon Kindle, iPhone, iPad, or iPod touch, on NOOK Book, on Kobo, and as printed, traditional edition through Lulu.
Die Sorge des Hausvaters
Die einen sagen, das Wort Odradek stamme aus dem Slawischen und sie suchen auf Grund dessen die Bildung des Wortes nachzuweisen. Andere wieder meinen, es stamme aus dem Deutschen vom Slawischen sei es nur beeinflußt. Die Unsicherheit beider Deutungen aber läßt wohl mit Recht darauf schließen, daß keine zutrifft, zumal man auch mit keiner von ihnen einen Sinn des Wortes finden kann.
Natürlich würde sich niemand mit solchen Studien
beschäftigen, wenn es nicht wirklich ein Wesen gäbe, das Odradek heißt.
Es sieht zunächst aus wie eine flache sternartige Zwirnspule, und
tatsächlich scheint es auch mit Zwirn bezogen; allerdings dürften es nur
abgerissene, alte, aneinandergeknotete, aber auch ineinanderverfitzte
Zwirnstücke von Verschiedenster Art und Farbe sein. Es ist aber nicht
nur eine Spule, sondern aus der Mitte des Sternes kommt ein kleines
Querstäbchen hervor und an dieses Stäbchen fügt sich dann im rechten
Winkel noch eines. Mit Hilfe dieses letzteren Stäbchens auf der einen
Seite, und einer der Ausstrahlungen des Sternes auf der anderen Seite,
kann das Ganze wie auf zwei Beinen aufrecht stehen.
Man wäre
versucht zu glauben, dieses Gebilde hätte früher irgendeine zweckmäßige
Form gehabt und jetzt sei es nur zerbrochen. Dies scheint aber nicht der
Fall zu sein; wenigstens findet sich kein Anzeichen dafür; nirgends
sind Ansätze oder Bruchstellen zu sehen, die auf etwas Derartiges
hinweisen würden; das Ganze erscheint zwar sinnlos, aber in seiner Art
abgeschlossen. Näheres läßt sich übrigens nicht darüber sagen, da
Odradek außerordentlich beweglich und nicht zu fangen ist.
Er hält
sich abwechselnd auf dem Dachboden, im Treppenhaus, auf den Gängen, im
Flur auf. Manchmal ist er monatelang nicht zu sehen; da ist er wohl in
andere Häuser übersiedelt; doch kehrt er dann unweigerlich wieder in
unser Haus zurück. Manchmal, wenn man aus der Tür tritt und er lehnt
gerade unten am Treppengeländer, hat man Lust, ihn anzusprechen.
Natürlich stellt man an ihn keine schwierigen Fragen, sondern behandelt
ihn - schon seine Winzigkeit verführt dazu - wie ein Kind. »Wie heißt du
denn?« fragt man ihn. »Odradek«, sagt er. Und wo wohnst du?
»Unbestimmter Wohnsitz«, sagt er und lacht; es ist aber nur ein Lachen,
wie man es ohne Lungen hervorbringen kann. Es klingt etwa so, wie das
Rascheln in gefallenen Blättern. Damit ist die Unterhaltung meist zu
Ende. Übrigens sind selbst diese Antworten nicht immer zu erhalten; oft
ist er lange stumm, wie das Holz, das er zu sein scheint.
Vergeblich
frage ich mich, was mit ihm geschehen wird. Kann er denn sterben?
Alles, was stirbt, hat vorher eine Art Ziel, eine Art Tätigkeit gehabt
und daran hat es sich zerrieben; das trifft bei Odradek nicht zu. Sollte
er also einstmals etwa noch vor den Füßen meiner Kinder und
Kindeskinder mit nachschleifendem Zwirnsfaden die Treppe
hinunterkollern? Er schadet ja offenbar niemandem; aber die Vorstellung,
daß er mich auch noch überleben sollte, ist mir eine fast schmerzliche.
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