|
Franz Kafka at age 5 (1888)
|
|
The following is an excerpt from "The Tales of Franz Kafka: English Translation With Original Text
In German," available as e-book on Amazon
Kindle, iPhone,
iPad, or iPod touch, on
NOOK Book, on
Kobo, and as printed, traditional edition through Lulu.
Jackals and Arabs
"...We
were camping in the oasis. My companions were asleep. An Arab, tall and white,
went past me; he had tended to his camels and was going to his sleeping place.
I
threw myself on my back on the grass; I wanted to sleep; I couldn’t; the
howling of a jackal in the distance; I sat up straight again. And what had been
so far away was suddenly close by. A multitude of jackals around me; their eyes
flashing dull gold and then extinguishing; lean bodies moving in a nimble,
coordinated manner, as if responding to a whip.
One
of them came from behind, pushed himself under my arm, right against me, as if
it needed my warmth, then stepped in front of me and spoke, almost eye to eye
with me:
“I’m
the oldest jackal far and wide. I’m happy that I’m still able to welcome you
here. I had almost given up hope, for we’ve been waiting for you an infinitely
long time. My mother waited, and her mother, and all her mothers, right back to
the mother of all jackals. Believe it!”
“That
surprises me,” I said, forgetting to light the pile of wood which laid ready to
keep the jackals away with its smoke, “That surprises me to hear. Only by
chance I’ve come from the high north and I meant to be just in a short trip.
What do you jackals want then?”
As
if encouraged by this, perhaps too friendly, conversation they drew their
circle more closely around me, all of them panting and snarling.
“We
know,” the oldest began, “that you come from the north, and on that alone rests
our hope. In the north there is a way of understanding things, that one cannot
find here among the Arabs. From their cool arrogance, you know, one cannot beat
a spark of common sense. They kill animals to eat them, and they disregard the
carcasses.”
“Don’t
speak so loud,” I said, “there are Arabs sleeping close by.”
“You
really are a stranger,” said the jackal, “otherwise you would know that
throughout the history of the world a jackal has never yet feared an Arab.
Should we fear them? Is it not misfortune enough that we have been outcasted
under such people?”
“Maybe,
maybe,” I said. “I’m not up to judging things which are so far from me; it
seems to be a very old fight; it’s probably in the blood and so, perhaps, will
only end with blood.”
“You
are very clever,” said the old jackal; and they all breathed even more quickly,
with harried lungs, although they were standing still; a bitter smell, which I
could temporarily bear only by clenching my teeth, emanated from their open
mouths. “You are very clever. What you said corresponds to our ancient
doctrine. So we take their blood, and the fight is over.”
“Oh,”
I said, in a wilder manner than I intended, “they’ll defend themselves. They’ll
shoot you down in droves with their guns.” “You misunderstand us,” he said, “a
trait of human beings which has not disappeared, not even in the high north. We
are not going to kill them. The Nile does not have enough water to wash us
clean. At the mere sight of their living bodies, we immediately run away into
cleaner air, into the desert, that is therefore our home.”
All the jackals around, including many more
that in the meantime had joined coming from afar, lowered their heads between
the forelegs and wiped them with their paws; it was as if they wanted to
conceal an aversion, which was so dreadful that I would have much preferred to escape
beyond their circle with a high jump.
“So what do you intend to do?” I asked. I
wanted to stand up, but I couldn’t; two young animals were holding me firmly
from behind, biting my jacket and shirt. I had to remain seated. “They are
holding your train,” said the old jackal seriously, by way of explanation, “a
sign of respect.”
“They should let me go,” I cried out, turning
now to the old one, now to the young ones. “They will, of course,” said the old
one, “if that’s what you ask. But it will take a little while, for, as is our
habit, they have dug in their teeth deep and must disengage their bites
gradually. Meanwhile, listen to our prayer.” “Your conduct has not made me very
receptive to it,” I said. “Don’t make us pay for our clumsiness,” he said, and
now for the first time he brought the wailing tone of his natural voice to his
assistance. “We are poor animals, all we have is our teeth; for everything we
want to do, the good and the bad, only our teeth we have.” “So what do you
want?” I asked, only slightly appeased.
“Sir,”
he cried, and all the jackals howled; very remotely it sounded to me like a
melody.
“Sir, you should end the fight which divides
the world..."
Schakale und Araber
Wir lagerten in der Oase. Die Gefährten schliefen. Ein
Araber, hoch und weiß, kam an mir vorüber; er hatte die Kamele versorgt und
ging zum Schlafplatz.
Ich warf mich rücklings ins Gras; ich wollte schlafen; ich
konnte nicht; das Klagegeheul eines Schakals in der Ferne; ich saß wieder
aufrecht. Und was so weit gewesen war, war plötzlich nah. Ein Gewimmel von
Schakalen um mich her; in mattem Gold erglänzende, verlöschende Augen; schlanke
Leiber, wie unter einer Peitsche gesetzmäßig und flink bewegt.
Einer kam von rückwärts, drängte sich, unter meinem Arm
durch, eng an mich, als brauche er meine Wärme, trat dann vor mich und sprach,
fast Aug in Aug mit mir:
»Ich bin der älteste Schakal, weit und breit. Ich bin
glücklich, dich noch hier begrüßen zu können. Ich hatte schon die Hoffnung fast
aufgegeben, denn wir warten unendlich lange auf dich; meine Mutter hat gewartet
und ihre Mutter und weiter alle ihre Mütter bis hinauf zur Mutter aller
Schakale. Glaube es!«
»Das wundert mich«, sagte ich und vergaß, den Holzstoß
anzuzünden, der bereitlag, um mit seinem Rauch die Schakale abzuhalten, »das
wundert mich sehr zu hören. Nur zufällig komme ich aus dem hohen Norden und bin
auf einer kurzen Reise begriffen. Was wollt ihr denn, Schakale?«
Und wie ermutigt durch diesen vielleicht allzu freundlichen
Zuspruch zogen sie ihren Kreis enger um mich; alle atmeten kurz und fauchend.
»Wir wissen«, begann der Älteste, »daß du vom Norden kommst,
darauf eben baut sich unsere Hoffnung. Dort ist der Verstand, der hier unter
den Arabern nicht zu finden ist. Aus diesem kalten Hochmut, weißt du, ist kein
Funken Verstand zu schlagen. Sie töten Tiere, um sie zu fressen, und Aas
mißachten sie.«
»Rede nicht so laut«, sagte ich, »es schlafen Araber in der
Nähe.«
»Du bist wirklich ein Fremder«, sagte der Schakal, »sonst
wüßtest du, daß noch niemals in der Weltgeschichte ein Schakal einen Araber
gefürchtet hat. Fürchten sollten wir sie? Ist es nicht Unglück genug, daß wir
unter solches Volk verstoßen sind?«
»Mag sein, mag sein«, sagte ich, »ich maße mir kein Urteil
an in Dingen, die mir so fern liegen; es scheint ein sehr alter Streit; liegt
also wohl im Blut; wird also vielleicht erst mit dem Blute enden.«
»Du bist sehr klug«, sagte der alte Schakal; und alle
atmeten noch schneller; mit gehetzten Lungen, trotzdem sie doch stillestanden;
ein bitterer, zeitweilig nur mit zusammengeklemmten Zähnen erträglicher Geruch
entströmte den offenen Mäulern, »du bist sehr klug; das, was du sagst,
entspricht unserer alten Lehre. Wir nehmen ihnen also ihr Blut und der Streit
ist zu Ende.«
»Oh!« sagte ich wilder, als ich wollte, »sie werden sich
wehren; sie werden mit ihren Flinten euch rudelweise niederschießen.«
»Du mißverstehst uns«, sagte er,»nach Menschenart, die sich
also auch im hohen Norden nicht verliert. Wir werden sie doch nicht töten. So
viel Wasser hätte der Nil nicht, um uns rein zu waschen. Wir laufen doch schon
vor dem bloßen Anblick ihres lebenden Leibes weg, in reinere Luft, in die
Wüste, die deshalb unsere Heimat ist.«
Und alle Schakale ringsum, zu denen inzwischen noch viele
von fern her gekommen waren, senkten die Köpfe zwischen die Vorderbeine und
putzten sie mit den Pfoten; es war, als wollten sie einen Widerwillen
verbergen, der so schrecklich war, daß ich am liebsten mit einem hohen Sprung
aus ihrem Kreis entflohen wäre.
»Was beabsichtigt ihr also zu tun?« fragte ich und wollte
aufstehn; aber ich konnte nicht; zwei junge Tiere hatten sich mir hinten in
Rock und Hemd festgebissen; ich mußte sitzenbleiben. »Sie halten deine
Schleppe«, sagte der alte Schakal erklärend und ernsthaft, »eine Ehrbezeigung.«
»Sie sollen mich loslassen!« rief ich, bald zum Alten, bald zu den Jungen
gewendet. »Sie werden es natürlich«, sagte der Alte, »wenn du es verlangst. Es
dauert aber ein Weilchen, denn sie haben nach der Sitte tief sich eingebissen
und müssen erst langsam die Gebisse voneinander lösen. Inzwischen höre unsere
Bitte.« »Euer Verhalten hat mich dafür nicht sehr empfänglich gemacht«, sagte
ich. »Laß uns unser Ungeschick nicht entgelten«, sagte er und nahm jetzt zum
erstenmal den Klageton seiner natürlichen Stimme zu Hilfe, »wir sind arme
Tiere, wir haben nur das Gebiß; für alles, was wir tun wollen, das Gute und das
Schlechte, bleibt uns einzig das Gebiß.« »Was willst du also?« fragte ich, nur
wenig besänftigt.
»Herr« rief er, und alle Schakale heulten auf; in fernster
Ferne schien es mir eine Melodie zu sein. »Herr, du sollst den Streit beenden,
der die Welt entzweit. So wie du bist, haben unsere Alten den beschrieben, der
es tun wird. Frieden müssen wir haben von den Arabern; atembare Luft; gereinigt
von ihnen den Ausblick rund am Horizont; kein Klagegeschrei eines Hammels, den
der Araber absticht; ruhig soll alles Getier krepieren; ungestört soll es von uns
leergetrunken und bis auf die Knochen gereinigt werden. Reinheit, nichts als
Reinheit wollen wir«, – und nun weinten, schluchzten alle – »wie erträgst nur
du es in dieser Welt, du edles Herz und süßes Eingeweide? Schmutz ist ihr Weiß;
Schmutz ist ihr Schwarz; ein Grauen ist ihr Bart; speien muß man beim Anblick
ihrer Augenwinkel; und heben sie den Arm, tut sich in der Achselhöhle die Hölle
auf. Darum, o Herr, darum, o teuerer Herr, mit Hilfe deiner alles vermögenden
Hände, mit Hilfe deiner alles vermögenden Hände schneide ihnen mit dieser
Schere die Hälse durch!« Und einem Ruck seines Kopfes folgend kam ein Schakal
herbei, der an einem Eckzahn eine kleine, mit altem Rost bedeckte Nähschere
trug.
»Also endlich die Schere und damit Schluß!« rief der Araberführer
unserer Karawane, der sich gegen den Wind an uns herangeschlichen hatte und nun
seine riesige Peitsche schwang.
Alles verlief sich eiligst, aber in einiger Entfernung
blieben sie doch, eng zusammengekauert, die vielen Tiere so eng und starr, daß
es aussah wie eine schmale Hürde, von Irrlichtern umflogen.
»So hast du, Herr, auch dieses Schauspiel gesehen und
gehört«, sagte der Araber und lachte so fröhlich, als es die Zurückhaltung
seines Stammes erlaubte. »Du weißt also, was die Tiere wollen?« fragte ich.
»Natürlich, Herr«, sagte er, »das ist doch allbekannt; solange es Araber gibt,
wandert diese Schere durch die Wüste und wird mit uns wandern bis ans Ende der
Tage. Jedem Europäer wird sie angeboten zu dem großen Werk; jeder Europäer ist
gerade derjenige, welcher ihnen berufen scheint. Eine unsinnige Hoffnung haben
diese Tiere; Narren, wahre Narren sind sie. Wir lieben sie deshalb; es sind
unsere Hunde; schöner als die eurigen. Sieh nur, ein Kamel ist in der Nacht
verendet, ich habe es herschaffen lassen.«
Vier Träger kamen und warfen den schweren Kadaver vor uns
hin. Kaum lag er da, erhoben die Schakale ihre Stimmen. Wie von Stricken
unwiderstehlich jeder einzelne gezogen, kamen sie, stockend, mit dem Leib den
Boden streifend, heran. Sie hatten die Araber vergessen, den Haß vergessen, die
alles auslöschende Gegenwart des stark ausdunstenden Leichnams bezauberte sie.
Schon hing einer am Hals und fand mit dem ersten Biß die Schlagader. Wie eine
kleine rasende Pumpe, die ebenso unbedingt wie aussichtslos einen übermächtigen
Brand löschen will, zerrte und zuckte jede Muskel seines Körpers an ihrem
Platz. Und schon lagen in gleicher Arbeit alle auf dem Leichnam hoch zu Berg.
Da strich der Führer kräftig mit der scharfen Peitsche kreuz
und quer über sie. Sie hoben die Köpfe; halb in Rausch und Ohnmacht; sahen die
Araber vor sich stehen; bekamen jetzt die Peitsche mit den Schnauzen zu fühlen;
zogen sich im Sprung zurück und liefen eine Strecke rückwärts. Aber das Blut
des Kamels lag schon in Lachen da, rauchte empor, der Körper war an mehreren
Stellen weit aufgerissen. Sie konnten nicht widerstehen; wieder waren sie da;
wieder hob der Führer die Peitsche; ich faßte seinen Arm. »Du hast recht,
Herr«, sagte er, »wir lassen sie bei ihrem Beruf, auch ist es Zeit aufzubrechen.
Gesehen hast du sie. Wunderbare Tiere, nicht wahr? Und wie sie uns hassen!«